Es gibt viele Dogmen rund ums "richtige" Schreiben - aber wie gelingt es wirklich? Wir haben Tipps für Sie!
Nachdem ich vor kurzem die Texte für eine Website erstellt und an meine Auftraggeberin verschickt hatte, erhielt ich folgenden Anruf von ihr: Die Texte gefielen ihr sehr gut, aber bei der Beschreibung der Zielgruppe sei sie unsicher. Explizit sei ja auch erwähnt, für wen sie nicht zuständig sei, und eine Negativ-Formulierung sei doch ein No-Go, weil man ja bei der Präsentation immer ein positives Bild von sich abgeben solle und niemals das Wort „nicht“ verwenden dürfe.
Dogmen rund ums Schreiben
Die böse Negativ-Formulierung ist nur eines der Dogmen, die gepredigt werden, wenn es um Kommunikation geht. Es gibt noch andere Regeln, die suggerieren, dass ihre Missachtung psychologisch inadäquat und dem Image der eigenen Person abträglich seien. Ein weiteres Beispiel ist etwa das Ersetzen des Wortes „aber“ durch „und“, um nicht zu werten, oder die konsequente Verwendung von Ich-Botschaften in Krisengesprächen. Und wie man Bewerbungsschreiben zu verfassen hat, unterliegt sowieso strengen Kriterien. Diese passen sich unterschiedlichen Moden an: Was gestern noch unbedingt notwendig war, ist morgen passé. Das Motto jedoch bleibt: ja nichts falsch machen, in keine sprachliche Falle tappen oder anders gesagt: „richtig schreiben“.
Warum formal richtige Texte nicht immer ihren Zweck erfüllen
Das hat aus meiner Sicht mehrere Konsequenzen: Viele Menschen haben große Scheu davor, Texte zu verfassen oder schwierige Gespräche zu führen. Sehr oft erhöhen Hinweise, was es zu beachten gilt, den Druck, anstatt eine sinnvolle Unterstützung zu bieten. Das kann zur Folge haben, dass entweder der Text gar nicht geschrieben bzw. das Gespräch gar nicht geführt wird oder dass Authentizität verloren geht. Das führt gegebenenfalls zu Texten, die zwar formal einwandfrei sind, die jedoch entweder völlig unverständlich oder unpersönlich sind. Auch die Originalität leidet: Aus persönlicher Erfahrung kenne ich die Bewerbungsschreiben, die nach allen Regeln der Kunst verfasst sind, die jedoch ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen: nämlich ein Bild von der Person zu vermitteln, die sich für einen Job bewirbt. Ein bisschen weniger „richtig“ und mehr „persönlich“ wäre in diesem Fall absolut wünschenswert.
Tipps fürs "richtige" Schreiben
Haben allgemeine Tipps also gar keinen Sinn? Durchaus – wenn man sie als Möglichkeiten sieht, die eigene Kommunikation zu hinterfragen. Nur aufzulisten, wofür man nicht zuständig ist, wird ebenso wenig zielführend sein, wie in einem Bewerbungsschreiben wichtige Informationen in einem Nebensatz zu erwähnen. Und es macht durchaus Sinn, Ich-Botschaften in einem Gespräch als solche auszuweisen. Bei aller Pflege des eigenen Stils bleibt das Hauptkriterium gelungener Kommunikation noch immer, dass das, was ich vermitteln möchte, auch so beim Empfänger ankommt. Aber gerade deshalb ist es fruchtbringender, die individuellen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern, als sie in fixe Schemata zu pressen. Wie kann das also gehen?
Dazu ein paar unverbindliche Vorschläge:
- Schreiben Sie einen Text frei von der Leber weg und konzentrieren Sie sich auf das, was Sie sagen wollen! Lassen Sie ihn dann liegen und lesen Sie ihn erst nach einer Pause, etwa am nächsten Tag, wieder durch! Kommt Ihre Botschaft klar rüber? Verstehen Sie selbst noch, was Sie geschrieben haben? Würden Sie diesen Text gerne lesen?
- Überlegen Sie sich, ob der Text zu Ihnen passt! Welches Bild vermitteln Sie damit von sich?
- Fast jeder von uns hat „Lieblingsworte“: Manche Menschen verwenden mit Vorliebe „entweder – oder“ in geschriebenen Texten oder garnieren die gesprochene Sprache mit „sozusagen“. Kommen Sie sich selbst auf die Schliche! Oft empfiehlt es sich, Texte daraufhin zu überprüfen. Ich persönlich etwa streiche aus jedem Text beim ersten Durchlesen das Wörtchen „auch“ zu 50% und schmunzle inzwischen über diese persönliche Eigenheit.
- Wechseln Sie die Rolle vom Autor zum Leser! Oft hilft es, den eigenen Text so zu lesen, als stamme er nicht von Ihnen. Natürlich ist es auch sinnvoll, das Geschriebene jemand anderem zu zeigen. Es empfiehlt sich jedoch, die Bitte um Unterstützung auf die Verständlichkeit und Lesbarkeit zu beschränken. Manche gut gemeinte Korrekturen zielen nämlich darauf ab, einem Text den eigenen Stil aufzudrängen.
- Bereiten Sie sich auf schwierige Gespräche – also Interventionsgespräche jeglicher Art – vor: Überlegen Sie, wie Sie auf Ihre GesprächspartnerIn wirken wollen, welche Botschaft Sie vermitteln wollen, wie viel Spielraum Sie Ihrem Gegenüber zur Diskussion geben wollen und. Hilfreich ist es, im Anschluss an solche Gespräche zu überlegen, wo Ihnen „die Worte ausgegangen“ sind, wo Sie auf Floskeln zurückgegriffen haben und welche Momente Ihnen unangenehm waren.
All das kann dazu beitragen, Ihren persönlichen Stil besser kennen zu lernen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, um für andere verständlich und fassbar zu bleiben. Vor allem verlieren Sie so hoffentlich nicht den Spaß an der Kommunikation. Und wenn Ihnen dann noch die eine oder andere Regel einfällt, die Ihnen in Ihrem Text angebracht scheint – umso besser!
Über den Autor
Mag. Martin Weber hat Sprachen (Französisch und Japanisch) studiert und ist seit mehr als zwanzig Jahren als Kommunikationstrainer tätig. Er bietet über "Wortbildung" sowie "Arge Leute" Verschiedenes zum Thema Kommunikation an. Zuvor war er lange Zeit als Nachhilfelehrer bei "Der Pauker", der Schwesterfirma von bildungsraum, tätig.
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